Neue Chance Smartphone – Händler sollten die Kommunikation per Handy in eine umfassende Cross-Channel-Strategie einbetten / Von Frank Rehme

Mobile Commerce ist als ein bedeutendes Element des Cross-Channel Handels – diese Einsicht ist bei vielen Entscheidern angekommen. Als Folge haben viele Händler das mobile Angebot deutlich ausgeweitet. Mitunter springt aber ins Auge, dass Apps in verschiedenen Organisationseinheiten entwickelt wurden. Das sorgt erstens für eine Vielfalt, die vom Kunden nicht mehr überblickt werden kann. Zweitens sieht man auf Grund mangelnder Abstimmung der Organisationseinheiten funktionale Parallelentwicklungen, die im schlimmsten Fall verschiedene Ergebnisse bei der Anwendung liefern.

Bei Händlern mit mehr als Regiemärkten kommt oft noch eine Besonderheit hinzu: Nach dem Motto „Ohne App ist man der Depp“ haben die selbstständigen Händler angestachelt von Dienstleistern zusätzlich eigene Lösungen geschaffen. Getoppt wird das Ganze noch von verschiedenen Couponing und Payment-Lösungen, die nur bei bestimmten Händlern akzeptiert werden.

Solcher Wildwuchs führt zu einer vollständigen Verwirrung derer, um die es dabei doch gehen soll: Den Kunden. Zu hohe Komplexität führt zur Verweigerung. Der Verbraucher will es einfach, oder er wendet eine App nicht an. Nicht ohne Grund ist nichts geheimer als die absolute Transaktionsanzahl von Apps. Gern wird dagegen oft die wenig aussagefähige Anzahl der Downloads genannt.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn Unternehmen experimentieren. Nur so werden neue Wege erforscht und gefunden. Oft fehlt aber die Ausrichtung auf den Kunden. Es wird häufig das technisch Mögliche umgesetzt, der wirkliche Nutzen für die Zielgruppe tritt dann schnell in den Hintergrund.

Dabei bietet der mobile Kanal für den Handel und die Konsumgüterindustrie eine völlig neue Möglichkeit: Wieder in den direkten Dialog mit seinen Kunden zu treten.

Zu beobachten ist, dass der Handel sich von seinem Kunden in den letzten Jahrzehnten Stück für Stück entfernt hat. Das Zuhören wurde Marktforschern überlassen, die Bindung an das eigene Format wurde in die Hände von Loyalty-Programm-Anbietern gegeben. Riesige Datenmengen über die Kunden liegen jetzt in den Händen Dritter, die damit einen erstaunlichen Überblick über das Konsumverhalten der Bevölkerung bekommen. Ohne Not wurde das, was für Tante Emma einst Lebensgrundlage war, aus der Hand gegeben: Das Wissen über die Lebenssituationen, das Befinden und die Bedürfnisse der eigenen Kunden.

Eine durchgängige Mobile Commerce Strategie kann diese Entwicklung wieder zurückdrehen. Dazu ist aber ein gewisser Reset der bestehenden Entwicklungen (organisatorisch wie technisch) notwendig. Als erstes muss eine organisatorische Grundlage geschaffen werden: Die Cross Channel Verantwortung gehört in einen Verantwortungsbereich. So wird sichergestellt, dass die Anzahl der mobilen Customer-Touchpoints überschaubar bleiben und einer nachvollziehbaren Linie entsprechen. Hier ist die große Chance für den Handel, sich das Wissen über den Kunden zurück zu holen. Dazu ist aber eines ganz wichtig: Den Kunden mit seinen Bedürfnissen in den absoluten Mittelpunkt zu stellen. Dazu reicht es nicht, dass man sich allein nach bewährtem Muster in den Kunden hineinversetzt, denn dieses Mittel ist bei weitem nicht ausreichend. Verstehen heißt in diesem Fall beteiligen, organisierte Workshops mit Fokusgruppen sind dabei der erste Weg zum Verständnis. Dabei ist auf eines ganz besonders zu achten: Es sollten auch die Kundengruppen in den Fokus genommen werden, die man derzeit nicht hat, aber in Zukunft braucht – Stichwort Digital Natives und Generation Y.

Generell ist zu beobachten, dass erfolgreiche Handelsformate besonders durch ein ausgefeiltes Beziehungsmanagement auffallen. Die Kombination Social-Local-Mobile zur ganzheitlichen Kundenansprache wird sehr engagiert und durchgängig angewandt. So wird das Terrain zurückgeholt, dass früher der klassische Tante Emma Laden besetzte: Die direkte Kommunikation und das detaillierte Wissen über den Kunden. Durch eine intelligente Auswertung der Nutzungsdaten kann zudem der Kunde individuell angesprochen werden. Die Zukunft wird uns viele derzeit noch nicht vorstellbare Möglichkeiten eröffnen. Umso wichtiger ist es, bereits jetzt die entsprechenden organisatorischen und technischen Grundlagen und Erfahrungen zu sammeln.

Zusammengefasst kann man es sich nicht leisten, im mobilen Kanal kein Gesicht zu zeigen. Allerdings sollte die bisherige Vorgehensweise dringend auf den Prüfstand gestellt werden, um mehr Effizienz in die Investitionen zu bringen und zugleich sich die Kommunikationshoheit zum Kunden zurückzugewinnen.

Eines ist sicher: Um den digitalen Zugang zum Kunden bemühen sich viele, gewinnen wird derjenige, der ihn verstanden hat.