Die Deutschen haben in den letzten Jahren jede Menge neue Dinge neu entdeckt. Jamie Oliver, Tim Mälzer und viele der anderen Kochidole haben aus uns ein Volk der Köche und Feinschmecker gemacht. War es vor Jahren üblich, Freunde bei sich zum Essen einzuladen, lädt man heute zum gemeinsamen Kochen ein. Ebenso wäre es undenkbar oder sogar als unverschämt empfunden worden, den Gast auch noch mit der Arbeit des Kochens zu belasten.

Genauso ist es mit dem Kaffee: Wir sind alle heimliche Baristas geworden. Während vor 10 Jahren ein Espresso Macchiato nirgendwo bestellbar gewesen wäre, so bekommt man heute die Rückfrage nach der Kaffeeintensität oder der Milchsorte. Heutzutage einen normalen Kaffee zu bestellen ist schon die Ausnahme, und auch zu Hause ist die 50€ Maschine, die nur Filterkaffee kann, die absolute Rarität. Vollautomaten im vierstelligen Euro-Bereich oder Kapselmaschinen sind die Regel. In einem 4-Personen Haushalt liegt der Kapselkonsum oft nah an der 200€ Grenze pro Monat, eine Zahl, die vor 10 Jahren noch unvorstellbar erschien.

Aber es ist auch eine besonders kreative Leidenschaft dazugekommen: Das Fotografieren. Die Deutschen, das Volk der Helmut Newtons und Andreas Gurskys! Nie wurden so viele Bilder gemacht wie in dieser Zeit, das beginnende Jahrtausend ist das Bestdokumentierte aller Zeiten. Nun, wie das kommt weiß jeder: Die immer verfügbaren Kameras der Smartphones, gemixt mit neuen Kommunikations-möglichkeiten durch soziale Medien, sorgt für einen absoluten Hype der Fotografie.

Leider ist dieser Boom bei den Kameraherstellern total vorbeigegangen. Hier hat das Smartphone nicht nur das Nutzungsverhalten der Menschen verändert, auch die Qualität der Kameras hat deutlich zugenommen. Zudem hat der Softwarebereich große Sprünge gemacht: Die Mängel preiswerter Optiken werden durch intelligente Softwareberechnungen kompensiert. So kann heute eine Smartphonekamera Foto´s machen, die selbst Experten nicht von High-End Kameras unterscheiden können. Sicherlich gilt das nur für Idealbedingungen, aber für 90% der Fotografien ist das vollkommen ausreichend.

Sieht man sich einmal den Fotomarkt an, stellt man folgende Entwicklung fest:

Die Anzahl der Fotoaufnahmen hat sich von ….bis…von ….auf….verändert. Zugleich ist aber der Markt mit Fotokameras dramatisch eingebrochen. Von rund 1,2 Mrd. € in 2013 sank der Absatz um 25% auf 900 Mio €. Auch für 2015 ist ein neuer Tiefpunkt prognostiziert: Ein weiterer Einbruch auf 725 Mio€, das sind noch einmal ein Minus von 15%.

Jetzt heißt es, neue Innovationen in die Fotobranche zu bringen, um die Konsumenten von neuen Produkten zu begeistern. Sollte das irgendwann geschehen sein (derzeit sieht es aus Innovationssicht eher nicht danach aus), muss ein weiteres Problem gelöst werden. Es reicht nämlich nicht mehr aus, erstklassige Produkte zu produzieren: Man muss ihn auch in das Aufmerksamkeitsfeld des Konsumenten bringen, und da hat der Handel ein erhebliches Wörtchen mitzureden. Dort zählt in erster Linie die Flächenrentabilität, auch wenn bestimmte Artikel aus Hygienegründen immer im Sortiment bleiben werden.

Damit wären wir nun beim Titel dieses Blogbeitrages angekommen: Das Volk der Barrista braucht auch die passenden Maschinen, denn die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Zudem lebt das Segment von einem starken Innovationsgrad, das Produkt selbst ist multisensorisch und damit aus neurowissenschaftlicher Sicht sehr Impulskauf-aggressiv. Man glaubt es fast nicht: Der Handel stellt sich lieber Kaffeemaschinen in die Regale als Fotokameras. Eine (zugegeben nicht repräsentative) Begehung in einem Berliner Saturn-Store hat folgendes Resultat ergeben: Standen für die Präsentation von Kameras 43 Regalmeter zur Verfügung, waren es bei Kaffeemaschinen incl. der Sonderplatzierungen 168 Meter! Damit hat aus Sicht der Flächenrentabilität die Kaffeemaschine die Kameras verdrängt.

Was heißt das für die Branche? Zuerst einmal den Innovationsgrad der Produkte zu erhöhen. Eine Kamera ohne Integration in Soziale Medien oder in die Cloud wird weiterhin wenig Akzeptanz finden. Als zweites Konzepte entwickeln, wie man zukünftig seine Präsenz am PoS sicherstellen will. Generell leidet die etablierte Branche daran, auch am PoS als “uncool” wahrgenommen zu werden. Zu viele Fakten, zu wenig Emotionen.

Ja, es bleibt durchaus spannend, denn generell ist es schwer, als Kategorie verlorene Regalmeter zurück zu gewinnen. Aber es geht, die Kaffeebranche hat´s vorgemacht!