Frank Rehme über die Zukunftschancen der ersten M-Payment-Lösungen im Handel und die Vorteile der Kontaktlos-Technologie NFC
Dass Kunden bald massenhaft zum Handy greifen, um ihre Einkäufe zu bezahlen, hält Frank Rehme für unrealistisch. Dennoch glaubt der ehemalige „Chef-Futurologe“ der Metro-IT-Tochter Metro Systems an die Chancen von M-Payment, solange sich der Handel nicht die Butter vom Brot nehmen lässt.
Herr Rehme, brauchen wir in Zukunft noch Bargeld, wo wir doch alle Smartphones haben, die das Bezahlen übernehmen sollen?
Davon gehe ich stark aus. Und zwar weil der Mensch kein Problem beim Bezahlen hat. Das funktioniert ziemlich gut, nicht nur mit Bargeld, sondern auch mit der Debit- oder Kreditkarte. M-Payment ist kein Problemlöser. Das Bezahlen ist ein konditionierter, weltweit standardisierter Prozess. Mehr noch als etwa das Autofahren, wo man immerhin den Rechts- oder Linksverkehr beachten muss.
Um in Ihrem Bild zu bleiben: M-Payment gleicht eher einem Verkehrs-Chaos, von standardisierten Prozessen keine Spur …
Daran kranken alle Bezahllösungen, die derzeit im Handel zu finden sind, sei es bei Edeka, Netto oder Rewe. Wer nutzt schon ein neues Zahlverfahren, das in nur einem einzigen Handelsformat funktioniert? Das ist, als ob Sie jederzeit Yen, Dollar, Euro und Kronen im Geldbeutel haben müssen, um bezahlen zu können. Diese ganzen Insellösungen sind meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt.
Kennen Sie Transaktionszahlen?
Die verrät keiner. Aber ich gehe davon aus, dass es momentan mehr Powerpoint-Präsentationen zu M-Payment gibt als tatsächliche Zahlungstransaktionen.
Das klingt sehr pessimistisch. Früher sind Sie als M-Payment-Verfechter aufgetreten.
Heute sehe ich mich eher als M-Payment-Therapeut, der zu große Euphorie behandelt. In den letzten sieben Jahren als Innovationsmanager bei Metro Systems habe ich viele scheinbar innovative Bezahlverfahren kommen und gehen gesehen. Ein Beispiel ist das biometrische Bezahlen per Fingerprint. Ich glaube einfach, dass diejenigen Händler, die momentan ihren Fokus auf M-Payment legen, um die Attraktivität ihrer Einkaufsstätten zu erhöhen, auf das falsche Pferd setzen.
Welches ist denn das richtige Pferd?
M-Payment wird kommen, aber wahrscheinlich nur in Kombination mit anderen Funktionen. Wenn Menschen künftig viele Dinge mit ihrem Handy machen können, etwa das Firmengebäude betreten, ihr Auto starten, ihre Coupons einlösen, dann kommt auch das Bezahlen. Das alles ermöglicht nur der Kurzstreckenfunk NFC. Außerdem ist NFC der technologische Standard, den die finanzstarken Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard sowie die Mobilfunkkonzerne pushen.
Bisher ist noch nicht viel zu sehen …
Das fängt jetzt an. Noch in diesem Jahr startet das Pilotprojekt „NFC City Berlin“ unter der Federführung von GS1.
Die Rekrutierung von Teilnehmern soll sich schwierig gestalten.
Anfangs ja, aber jetzt hat die Initiative deutlich Fahrt aufgenommen. Meines Wissens nach sind mittlerweile acht Teilnehmer an Bord, bestehend aus Banken, Händlern und Mobilfunknetzbetreibern. Die meisten Händler hatten einfach andere Themen auf der Agenda, die dringlicher waren, wie etwa TA 7.0 oder die Sepa-Umstellung.
Aber das kann ja nicht der einzige Grund für die Verzögerung sein.
Natürlich muss jeder Händler kräftig investieren – in neue, NFC-fähige Terminals und in Marketingmaßnahmen. Außerdem schwingt die Befürchtung mit, dass sich branchenfremde Firmen wie die Mobilfunknetzbetreiber in die Kommunikation mit dem Kunden einmischen. Die Frage ist: Wer hat in Zukunft die Hoheit über die Kundendaten? Die Kundenbeziehung ist ein Ass, das sich der Handel nicht aus dem Ärmel nehmen lassen darf. Bei dem Berliner Pilotprojekt müssen jetzt alle beweisen, dass sie an einem Strang ziehen und M-Payment auf die Straße bringen können. Ich bin zuversichtlich, dass das deutlich schneller losgeht als der Betrieb des Flughafens Berlin-Brandenburg.
Zuerst erschienen in der Lebensmittelzeitung, Ausgabe 03/2014